LichtBlick Aktuell: Regionale Monopole bestimmen Ladesäulenmärkte
I. Darum geht’s
Um die Klimaschutzziele im Verkehrssektor zu erreichen, müssten bis 2030 etwa 14 Mio. batterieelektrische Autos in Deutschland fahren. Aktuell liegt der Bestand trotz großer Wachstumsraten bei etwa 400.000 E-Pkw. Es braucht also viel mehr Tempo beim Ersatz klimaschädlicher, fossiler Antriebe.
Ein entscheidender Baustein dafür ist der Aufbau eines dichten und verbraucher*innenfreundlichen Netzes an öffentlichen Ladepunkten. Zwar wächst die Zahl der Ladesäulen, doch gibt es erheblich strukturelle Mängel, die sich mehr und mehr als Hemmnis für den Hochlauf der Elektromobilität herausstellen.
So dominieren in vielen Regionen Deutschlands weiterhin große Anbieter den Ladesäulenmarkt. Das zeigt eine von LichtBlick beim Datendienstleister Statista beauftragte Auswertung des Ladesäulenregisters der Bundesnetzagentur, bei der die Ladesäulen den jeweiligen Betreibern zugeordnet wurden. Insgesamt wurden knapp 19.600 Betreiber mit 35.845 Normalladepunkten und 5.906 Schnellladepunkten ausgewertet.
II. Die wichtigsten Fakten
Monopole weit verbreitet
Die Analyse zeigt in ganz Deutschland ein ernüchterndes Bild. Die Marktanteile regionaler Stromversorger liegen regelmäßig über 60%, in sehr vielen Fällen über 70% und mehr: Hannover (95%, enercity), München (88%, Stadtwerke München), Kiel (84%, Stadtwerke Kiel). Nahezu überall kontrollieren einige wenige Anbieter den regionalen Ladesäulenmarkt und seine Ladebedingungen.
Sie profitieren dabei auch von Synergieeffekten aus der Zusammenarbeit mit den Stromnetzbetreibern – in der Regel Tochter- oder Schwesterunternehmen im gleichen Konzern. So stellt beispielsweise die EWE in Bremen 71% aller Ladesäulen, weitere 13% entfallen auf die swb - die allerdings ebenfalls im Eigentum der EWE ist. In Dortmund werden 84% aller Ladesäulen von innogy betrieben, die wiederum knapp die Hälfte am städtischen Versorger und damit am örtlichen Netzbetreiber halten.
Fehlender Wettbewerb, hohe Preise
Tarife und Ladebedingungen werden weitgehend frei von Wettbewerb festgelegt. Das führt schon heute häufig zu überhöhten Preisen für Ladestrom deutlich oberhalb des Haushaltsstrompreises (vgl. dazu LichtBlick-Ladesäulencheck 2020). Die lokalen Ladesäulenbetreiber verteuern den Ladestrom auch für Drittanbieter. Zum Teil müssen diese für die Ladevorgänge ihrer Kund*innen mehr als doppelt so viel an die Ladesäulenbetreiber bezahlen, wie diese von ihren eigenen Kund*innen verlangen. Das ist weit entfernt von fairem Wettbewerb und eine klare Preisdiskriminierung. Zumal die Erlöse der Quersubventionierung der eigenen Tarife der Ladesäulenbetreiber dienen.
Ausschreibungen greifen nicht
Auch Ausschreibungen der öffentlich zugänglichen Ladeinfrastruktur ändern nicht automatisch etwas an der Dominanz. Städte wie Essen und Hannover schreiben schon seit einiger Zeit Flächen für die Errichtung öffentlicher Ladesäulen aus. An der Dominanz der lokalen Betreiber hat das nicht viel geändert. Denn aufgrund der Synergieeffekte mit dem lokalen Stromnetz können sie das beste wirtschaftliche Angebot unterbreiten. Die Abstimmung bei Errichtung und Betrieb der Ladesäulen funktioniert konzernintern deutlich schneller. Wichtige Kostenpunkte wie Personal oder IT-Infrastruktur können mit dem Stromnetz geteilt werden. „Player“ von außerhalb sind gegenüber Schwesterunternehmen der Netzbetreiber klar im Nachteil.
III. Unser Standpunkt
Schon heute liegt Deutschland im Ladenetz-Ranking des Verbands der Automobilwirtschaft (VDA) unterhalb des europäischen Durchschnitts und abgeschlagen hinter Ländern wie Niederlande, Norwegen oder Schweden. Intransparente und hohe Preise sind neben dem Mangel an Ladepunkten ein wesentliches Hemmnis für den Hochlauf der Elektromobilität. Derzeit beschäftigt sich auch die Sektoruntersuchung des Bundeskartellamts mit der Marktsituation, Erkenntnisse und Schlussfolgerungen werden gegen Ende des Jahres erwartet.
Der Ausbau der öffentlichen Ladeinfrastruktur muss deutlich verbraucherfreundlicher, effizienter und schneller vorangebracht werden. Dafür bedarf es einer grundlegenden Reform der Ladesäulen-Infrastruktur.
Wettbewerb an der Ladesäule schaffen: LichtBlick schlägt die Durchleitung als verpflichtendes Standardmodell beim Ladestrom vor. Dies ist auch bei anderen kapitalintensiven Netzwerken, wie dem Strom- und Gasnetz oder auch dem Telekommunikationsnetz, etabliert. Damit könnten Kunden überall den Stromtarif ihres frei gewählten Anbieters laden – zum transparenten und festen Preis. Freiwillig ist dies bereits seit dem 1. Juni 2021 möglich, bislang allerdings ohne spürbare Wirkung.
Öffentliche Ladeinfrastruktur schneller ausbauen: Öffentliche Ladepunkte sind immens wichtig, denn angesichts eines Mieteranteils von fast 50 % werden viele E-Mobilisten künftig darauf angewiesen sein. Vor allem in Ballungsgebieten, wo der Mieteranteil deutlich höher liegt als auf dem Land. Eine Studie der bundeseigenen NOW GmbH schätzt den Bedarf an neuen öffentlichen Ladepunkten bis 2030 auf jährlich bis zu 840.000.
Transparenz schaffen: Es braucht dringend eine vollständige und für alle leicht zugängliche Datenbank aller öffentlichen Ladepunkte. Beim konventionellen Sprit sind sämtliche Preise und Standorte per App abfragbar. Das muss auch beim Fahrstrom möglich gemacht werden.
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DownloadRalf Schmidt-Pleschka
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