LichtBlick Aktuell: Mehr Transparenz bei Netzentgelten
I. Darum geht’s
Das Stromnetz ist ein „natürliches Monopol“ und wird als solches von staatlichen Stellen – allen voran den Regulierungsbehörden von Bund und Ländern – reguliert. Dies soll Verbraucherinnen und Verbraucher davor schützen, dass Netzbetreiber ihre Gebietsmonopole durch das Abschöpfen von Monopolrenten ausnutzen. Dafür gibt es eine Obergrenze für die Netzerlöse und einen Benchmark für die Betriebskosten.
Die aktuelle Regulierungspraxis führt nach Einschätzung unabhängiger Akteure wie LichtBlick, Agora Energiewende und Verbraucherschützern zu überhöhten Netzentgelten. Stromkund*innen bezahlen zurzeit für den Netzbetrieb knapp 8 Cent pro Kilowattstunde, das ist der größte Kostenblock auf der Stromrechnung. Die gesamten Netzentgelte summieren sich bei den von der Bundesnetzagentur regulierten Betrieben aktuell auf 25,7 Mrd. Euro jährlich.
Netzentgelte dürfen nur notwendige und netzbezogene Kosten umfassen. Um das sicherzustellen, bräuchte es transparente Kalkulationsgrundlagen, die für fachkundige Dritte vollständig nachvollziehbar sind. In der Praxis ist das bislang nicht der Fall. Doch es gibt Bewegung: Eine Novelle des Energiewirtschaftsrechts könnte bereits vor dem Sommer dazu führen, dass Netzbetreiber die Veröffentlichung ihrer Kalkulationsdaten künftig hinnehmen müssen. Damit wird die Tür für eine bessere Kontrolle der Netzkosten geöffnet. Dies kann mittelfristig zu einer Entlastung der Verbraucher*innen in Milliardenhöhe führen.
II. Die wichtigsten Fakten
Netzentgelte steigen
Im Zeitraum 2017 bis 2021 sind die Netzentgelte um durchschnittlich 10 Prozent gestiegen, mancherorts um 30 Prozent und mehr. Als Grund wird meist pauschal die Energiewende angeführt. Ob das stimmt, ist nicht nachprüfbar. Denn die Netzbetreiber haben per Gericht durchgesetzt, dass sie die Grundlagen für die Kalkulation der Netzkosten den Kunden und der Öffentlichkeit vorenthalten dürfen. Auf den Seiten der zuständigen Bundesnetzagentur werden lediglich geschwärzte Daten veröffentlicht.
Netzbetrieb bislang Geheimsache
LichtBlick hat jahrelang dafür gestritten, dass Netzbetreiber zentrale Daten zur Kostenstruktur veröffentlichen müssen. Dies war in der Anreizregulierungsverordnung (ARegV) zwar so geregelt, die Praxis sah aber anders aus. Der Bundesgerichtshof (BGH) beschied im Dezember 2018, dass es zwar ein Anrecht der Öffentlichkeit auf Transparenz bei den Netzbetriebskosten gebe. Allerdings müsse die Veröffentlichungspflicht von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen der Netzbetreiber in einem Gesetz geregelt werden, eine Verordnung reiche dazu nicht aus. Das stärkte zunächst die Netzbetreiber, denn die Politik schwieg dazu.
Endlich Transparenz in Sicht
Mit der Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) hat die Bundesregierung im Januar 2021 die Chance ergriffen, das BGH-Urteil aufzunehmen und die Veröffentlichungspflicht direkt im Energierecht zu regeln. Die Veröffentlichungspflichten in § 23b gehen etwas über das Niveau in der ARegV hinaus. So werden zukünftig auch Informationen zu den Kapitalkosten veröffentlicht, die einen signifikanten Anteil der Netzkosten ausmachen. Zudem ist explizit eine Verordnungsermächtigung verankert, über die die Bundesregierung bei Bedarf weitere Transparenzanforderungen erlassen kann. Bemerkenswert ist zudem der Satz in der Begründung, dass das berechtigte Interesse der Netzbetreiber an der Geheimhaltung ihrer Daten verfassungsrechtlich „als weniger gewichtig“ einzustufen ist als das Transparenzinteresse der Allgemeinheit.
Kommt das neue Energierecht noch?
Die Diskussionen um die EnWG-Novelle laufen bereits seit Beginn des Jahres. Inhaltlich werden sie mehr und mehr durch Anpassungen im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und beim Klimaschutzgesetz überlagert, die kurzfristig im „Hucke-Pack-Verfahren“ an die EnWG-Novelle angehängt werden sollen. Eigentlich sollte das EnWG noch im Mai verabschiedet werden, jetzt könnte sich der Zeitpunkt nach hinten verschieben. Im schlimmsten Fall droht die neue Transparenzregelung durch einen Koalitionsstreit um die neuen Klima- und Energieziele auf hinter die Wahl verschoben zu werden. Damit wäre ein Beschluss im laufenden Jahr unwahrscheinlich. Das wäre ein politischer Offenbarungseid, der verhindert werden muss.
III. Unser Standpunkt
Als Netznutzer setzt sich LichtBlick schon seit langem für transparente und angemessene Netzentgelte ein und hat dafür schon zahlreiche Verfahren bis hin zum Bundesverfassungsgericht geführt. Die aktuelle Novelle ist ein Meilenstein für faire Netzkosten.
Die neue Rechtslage wird einen Vergleich der Kostenparameter zwischen den einzelnen Netzbetreibern ermöglichen. Auch dürften künftig wissenschaftliche Untersuchungen zur Regulierung eine adäquate Datenbasis vorfinden und für Transparenz sowie einen öffentlichen Diskurs über die Netzentgelte sorgen.
Wir fordern daher von der Regierungskoalition:
die Beschlussfassung in Bundestag und Bundesrat über die Novelle des Energiewirtschaftsrechts noch im Juni 2021 sicherzustellen, damit
eine Senkung der Netzentgelte durch einen effizienten Betrieb auf einer fundierten Grundlage geführt werden kann und
Stromkundinnen und -kunden besser über die Grundlagen der Netzentgelte informiert und durch faire und angemessene Netzentgelte entlastet werden.
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